Erfolgreiche Burgenland-Premiere von Jelinek-Stück
In Kooperation mit „weiterspielen. productions“ kbk (Kultur-Bildung-Kunst) und RE.F.U.G.I.U.S.
„Rechnitz - Der Würgeengel“
mit Isabelle Menke
/Foto Plakat/
aufgeführt in der restaurierten Synagoge Kobersdorf (15.09.2022)
und
im OHO Oberwart (16.09.2022)
Elfriede Jelinek (Text) – Leonhard Koppelmann (Regie) - Roland Koberg (Dramaturgie)
In „Rechnitz (Der Würgeengel)“ haben die Boten das Wort. Sie berichten - mal im Rückblick wie Zeugen, mal live wie bei einer Mauerschau – von einem Massaker und seinen Folgen, geschehen in den letzten Kriegstagen 1945 an der österreichisch-ungarischen Grenze. Die Gräfin Margit von Batthyany hatte auf Schloss Rechnitz die lokalen SS- und Gestapo-Männer zu einem so genannten Gefolgschaftsfest eingeladen. Zeitgleich wurde eine Massenerschiessung beim nahe gelegenen „Kreuzstadel“ vorbereitet. 180 jüdische Zwangsarbeiter, die für die Deportation ins Landesinnere zu entkräftet waren, wurden schliesslich von einer Gruppe Festgäste erschossen. Schon wenige Tage später brannte Schloss Rechnitz und die Gräfin floh vor der Roten Armee mit zwei Begleitern, dem SS-Ortsgruppenführer Podezin und dem Schlossverwalter Oldenburg. Ihr Ziel: die Schweiz, namentlich die Villa Favorita am Luganer See, wo Margits Bruder Heini Thyssen lebte, mit den Nazis Geschäfte machte und Kunst sammelte. Die Boten bleiben zurück und mit ihrem Wissen allein, in Umkehrung von Bunuels Film „Der Würgeengel“, wo es die (Dienst-)Boten sind, die die Herrschaft im Stich lassen. Aber berichten die Boten auch die Wahrheit? Oder ist ihr vielstimmiges Sprechen ein gigantisches Um-den-Brei-Herumreden, also Schweigen?
Elfriede Jelinek lässt in ihrem Stück viele Quellen ineinander fliessen. Es sprechen Zeitzeugen, wie sie in den Rechnitz-Prozessen der Nachkriegsjahre ausgesagt haben; Dorfbewohner und ehemalige Dienstboten, wie sie in Eduard Ernes und Margareta Heinrichs Film „Totschweigen“ aussagen (und Wesentliches wie die Grabstelle ver- bzw. totschweigen); antike Boten, die aus den „Bakchien“ entsprungen sein könnten; ein aufgeklärter deutscher Bote von heute, der über unseren „Sündenstolz“ nachdenkt; schliesslich spricht der „Kannibale von Rotenburg“ erweitert die Formen des Menschenfressertums. In der Aufführung des Schauspielhauses steht eine Botin stellvertretend für alle. Eine Zofe ohne Herrin? Die Herrin als Zofe? Ihre Spurensuche führt das Publikum an einen unbekannten Ort.
weiterspielen.productions
Das Stück „Rechnitz (Der Würgeengel)“ ist keine leichte Kost…Schauspielerin Isabelle Menke berichtete von den grausamen Ereignissen – in unterschiedlichen Rollen und Blickwinkeln. Sie hatte den Theatertext zuvor mehr als 100-mal vorgetragen, noch nie aber – wie in Kobersdorf – in einer ehemaligen Synagoge. „Ich hatte natürlich riesigen Respekt vor diesem Ort“, sagte die Künstlerin: „Und dass man manchmal den Finger in die Wunde legen muss, auch wenn das eigentlich nicht erträglich ist.“
ORF-Burgenland-Heute /Bettina Treiber
Die Autorin hat das Stück mit dem Titel „Rechnitz – Der Würgeengel“ für fünf Schauspieler konzipiert. Die gedachten und gesprochenen Erinnerungen von Zeugen fließen ineinander und ergeben doch keine klaren Aussagen. Unaussprechliches wird verdrängt und verschwiegen.
Regisseur Leonhard Koppelmann bringt Jelineks Text als Ein-Personen-Stück auf die Bühne. Isabelle Menke übernimmt in wechselnden Kostümen alle Rollen - eine zweistündige "tour de force" und eine beachtliche Leistung. Allerdings gerät die Aufführung dadurch etwas eindimensional.
mein.bezirk.at / Otto Krcal
„Als Gedenkinitiative freuen wir uns ganz besonders, dass man an dieser Stätte das Geschehen in dieser Nacht in Rechnitz für das Publikum nachvollziehbar gestalten kann – mit dem Text von Elfriede Jelinek, die auch gesagt hat, dass sie sich sehr freut, dass ihr Stück zum ersten Mal im Burgenland gespielt wird.“
Paul Gulda, Vorsitzender RE.F.U.G.I.U.S.